NE555 als astabile Kippstufe – Grundlagen, Funktion und Berechnung

Der Timer-Baustein NE555 gehört zu den bekanntesten und vielseitigsten integrierten Schaltungen überhaupt. Seit seiner Einführung in den 1970er-Jahren hat er unzählige Anwendungen gefunden. Diese reichen von Blinkschaltungen über Taktgeneratoren bis hin zu PWM-Reglern. Eine der am häufigsten genutzten Betriebsarten ist der NE555 als astabile Kippstufe, auch bekannt als astabiler Multivibrator.

In dieser Schaltungsart arbeitet der NE555 als selbsttätiger Taktgeber, der ohne äußeren Trigger ständig zwischen zwei Zuständen hin- und herschaltet. So entsteht ein Rechtecksignal, das sich hervorragend zum Takten, Blinken oder Steuern anderer Schaltungen eignet. In diesem Beitrag erfahren Sie ausführlich, wie die Schaltung funktioniert, welche Bauteile beteiligt sind, wie Sie sie berechnen und worauf Sie beim Aufbau achten sollten.

Was ist eine astabile Kippstufe?

Eine astabile Kippstufe, manchmal auch Multivibrator genannt, ist eine Schaltung, die ohne äußere Einflüsse, also eingehende Taktsignale oder Schaltsignale, von selbst in einem periodischen Rhythmus schaltet. Das bedeutet: Es gibt keinen stabilen Zustand, sondern die Schaltung wechselt ständig zwischen „Ein“ und „Aus“.

Im Fall des NE555 als astabile Kippstufe geschieht das durch das Auf- und Entladen eines Kondensators über zwei Widerstände. Dadurch entsteht eine wechselnde Spannung, die den internen Komparatoren des NE555 als Steuersignal dient. Das Ergebnis ist ein sauberer Rechteckimpuls am Ausgang (Pin 3), dessen Frequenz und Tastverhältnis Sie über die Bauteilwerte einstellen können. Der Ausgang schaltet dabei zwischen der jeweiligen Betriebsspannung und Masse hin und her.

Typische Anwendungen sind Blink-LEDs, einfache Lichtorgeln, akustische Signale oder die Takterzeugung für digitale Zähler und Logikschaltungen. Auch einige der auf dieser Webseite vorgestellten Schaltungen wie der Spannungsverdoppler, der Spannungsinverter, der 12-Bit-Binärzähler mit dem CD4040 oder der Digitalzähler mit dem CMOS-IC 4026 und LED-Display verwenden ihn als Taktgeber.

Der NE555 im Überblick

Bevor wir aber zur Funktionsweise der astabilen Kippstufe mit dem NE555 kommen, lohnt sich ein kurzer Blick in das Innenleben des NE555.

Der Baustein enthält:

  • zwei Komparatoren (Spannungsvergleicher),
  • ein RS-Flipflop (Speicherelement),
  • einen Transistor zur Entladung des Kondensators (Discharge) und
  • einen Spannungsteiler aus drei gleich großen Widerständen.

Durch diese Kombination kann der NE555 Spannungen vergleichen, Zustände speichern und kontrolliert Ausgänge umschalten. Das macht ihn so flexibel, dass er als Monoflop (einschaltverzögert), Bistabil (zweistabil) oder Astabil (selbstschwingend) eingesetzt werden kann. Mehr zum Innenleben des NE555 finden Sie im Hauptbeitrag zum NE555-Timer. Mehr NE555-Schaltungen zum Ausprobieren im verlinkten Beitrag.

Funktionsweise der astabilen Kippstufe mit NE555

In der folgenden Abbildung sehen Sie die sehr einfach aufgebaute NE555 astabile Kippstufe. Die Schaltung besteht neben dem 555-Timer im Wesentlichen aus den drei Bauteilen R1, R2 und C2.
Diese Bauteile bestimmen, wie lange der Ausgang des NE555 auf „High“ (ein) und „Low“ (aus) bleibt.

Schaltbild mit NE555 als astabile Kippstufe
Schaltbild mit NE555 als astabile Kippstufe und zwei LED als Wechselblinker

Daneben gibt es meist noch einen kleinen Kondensator C3 (ca. 100 nF) zwischen Pin 5 (Control Voltage) und Masse, der für Stabilität sorgt, sowie optional eine Diode D1, um das Tastverhältnis zu verändern. Sie sorgt dafür, dass Einschalt- und Ausschaltzeiten fast gleich lang sind. Wenn Sie diese weglassen, ist die Einschaltzeit ungefähr doppelt so lang wie die Ausschaltzeit. Die NE555-Schaltung ist hier als Wechselblinker aufgebaut. Die beiden LEDs zeigen Einschalt- (LED2) und Ausschaltzeit (LED1) sehr gut an. Kommen wir nun zur Funktionsweise der astabilen Kippstufe mit dem NE555.

Einschaltmoment und Funktionsweise

Wenn die Betriebsspannung eingeschaltet wird, ist der Kondensator C1 zunächst völlig entladen. Dadurch liegt der Trigger-Eingang (Pin 2) auf Masse. In diesem Moment startet der erste Taktimpuls, und der Ausgang (Pin 3) schaltet auf „High“. Der Kondensator C1 beginnt nun, sich über die beiden Widerstände R1 und R2 langsam aufzuladen.

Sobald die Spannung am Kondensator etwa zwei Drittel der Betriebsspannung erreicht, schaltet das interne Flipflop im NE555 um. Der Ausgang fällt auf „Low“, und der Discharge-Pin (Pin 7) wird leitend. Der Kondensator C1 entlädt sich daraufhin über den Widerstand R2 nach Masse. Sinkt die Kondensatorspannung wieder auf ungefähr ein Drittel der Betriebsspannung, beginnt der Zyklus automatisch von vorne.

Auf diese Weise entsteht ein fortlaufendes Rechtecksignal, dessen Frequenz und Pausenverhältnis von den Werten der Bauteile R1, R2 und C1 abhängt.

Tastverhältnis und die Rolle der Diode

Sie haben weiter oben schon gelesen, wozu die Diode da ist. Hier ist eine kleine Erklärung dazu. Da der Widerstand R2 sowohl die Lade- als auch die Entladezeit des Kondensators beeinflusst, während R1 nur beim Aufladen beteiligt ist, kann die Schaltung von Haus aus kein exaktes 1:1-Verhältnis zwischen Impuls- und Pausenzeit erreichen. Das Tastverhältnis liegt also nicht genau bei 50 Prozent.

Abhilfe schafft eine Diode (z. B. 1N4148), die parallel zu R2 geschaltet wird. Beim Laden des Kondensators fließt der Strom dann über die Diode und überbrückt R2, wodurch die Aufladezeit verkürzt wird. Während der Entladephase sperrt die Diode. Der Strom kann dann nur über R2 abfließen.

Wenn Sie R1 und R2 gleich groß wählen, lässt sich mit dieser kleinen Schaltungserweiterung ein nahezu symmetrisches Rechtecksignal erzeugen, bei dem Impulsdauer und Pausenzeit etwa gleich lang sind.

NE555 als astabile Kippstufe, aufgebaut als LED-Blinkerschaltung auf einem Breadboard
NE555 als astabile Kippstufe, aufgebaut als LED-Blinkerschaltung auf einem Breadboard

Berechnung der Schaltung

Das Schöne am NE555 als astabile Kippstufe ist, dass sich die Zeiten sehr einfach berechnen lassen. Ich möchte hier nicht allzu sehr auf die Berechnungen eingehen. Dafür gibt es Onlinerechner, die das für Sie erledigen. Dennoch hier ein paar Erklärungen:

  • Die Impulsdauer (ti), also die Zeit, in der der Ausgang auf „High“ liegt, ergibt sich aus der Ladezeit des Kondensators über R1 und R2.
    Formel: ti = 0,693 × (R1 + R2) × C1
  • Die Pausendauer (tp), also die Zeit, in der der Ausgang auf „Low“ liegt, ergibt sich aus der Entladezeit über R2.
    Formel: tp = 0,693 × R2 × C1
  • Die Periodendauer (T), also ein kompletter Schwingungszyklus, ist die Summe aus ti und tp.
    Formel: T = 0,693 × (R1 + 2 × R2) × C1
  • Die Frequenz (f) ergibt sich aus dem Kehrwert der Periodendauer.
    Formel: f = 1 / (0,693 × (R1 + 2 × R2) × C1)

Daraus lässt sich ableiten: Je größer die Widerstände oder der Kondensatorwert, desto langsamer schwingt die Schaltung. Kleine Werte führen zu höheren Frequenzen.

Beispiel für Bauteilwerte

Ein praktisches Beispiel zeigt schnell, wie sich diese Werte auswirken.

Wenn Sie R1 = 100 kΩ, R2 = 68 kΩ und C1 = 4,7 µF wählen, ergibt sich eine Schwingfrequenz von etwa 1,4 Hz, also knapp ein Impuls pro Sekunde. Diese Werte eignen sich also gut für eine blinkende LED.

Für den sicheren Betrieb sollte R1 nicht kleiner als 10 kΩ sein. Bei kleineren Werten fällt am Discharge-Pin zu viel Spannung ab, was zu Temperaturabhängigkeiten führen kann. Ebenso sollten Sie bei sehr hohen Widerstandswerten vorsichtig sein, da der Leckstrom des Kondensators dann größer als der Ladestrom werden kann. Sie Schaltung arbeitet in diesem Fall nur sehr unzuverlässig.

Symmetrische Rechtecksignale mit Diode

Eine Besonderheit beim NE555 als astabile Kippstufe ist, dass die Impulsdauer in der Grundschaltung immer länger ist als die Pause. Das liegt daran, dass der Widerstand R2 sowohl die Lade- als auch die Entladezeit beeinflusst, während R1 nur während der Ladephase wirksam ist. Das wurde schon weiter oben erwähnt. Hier ist eine einfache Erklärung, warum das so ist

Ein genaues Tastverhältnis von 50 Prozent (also Impulsdauer = Pausendauer) lässt sich nicht ohne Hilfsmittel einstellen. Hier kommt die Diode D ins Spiel:

Wird eine Diode parallel zu R2 geschaltet (z. B. 1N4148), so kann der Kondensator beim Laden den Strom über die Diode führen, während beim Entladen die Diode sperrt. Dadurch fließt der Entladestrom nur über R2, was eine (fast) symmetrische Rechteckform ermöglicht. Das gilt insbesondere, wenn R1 und R2 gleich groß gewählt werden.

Hinweise zur Dimensionierung der Bauteile

Für variable Taktfrequenzen bietet es sich an, Potentiometer anstelle von festen Widerständen zu verwenden. Damit am Timer-Eingang kein Kurzschluss entsteht, sollten Sie stets einen kleinen Schutzwiderstand (etwa 1 kΩ) in Reihe zum Poti schalten.

Achten Sie außerdem auf die Qualität der Kondensatoren. Elektrolytkondensatoren besitzen Leckströme, die temperatur- und güteabhängig sind. Zu langes Erhitzen beim Einlöten kann diese Werte verändern. Besser geeignet sind hochwertige Elkos oder Folienkondensatoren für präzisere Anwendungen.

Ein Kondensator von etwa 100 nF direkt zwischen Pin 8 (VCC) und Pin 1 (GND) sorgt dafür, dass der NE555 stabil arbeitet und nicht ungewollt schwingt. Diese kleine Ergänzung erhöht die Zuverlässigkeit der Schaltung erheblich. Am besten ist es, wenn Sie den Kondensator möglichst nahe am IC 555 einsetzen.

Praktische Anwendung und Aufbau

Die astabile Kippstufe mit dem NE555 ist ein ideales Einstiegsprojekt für Elektronik-Einsteiger. Sie benötigen nur wenige Bauteile, und das Ergebnis ist sofort sichtbar. Das kann beispielsweise durch eine blinkende LED oder das Taktgeräusch eines Summers der Fall sein.

Beim Aufbau auf einer Lochrasterplatine oder einem Breadboard sollten Sie darauf achten, dass die Leitungen zu Pin 2 (Trigger) und Pin 6 (Threshold) möglichst kurz bleiben. Diese beiden Pins werden für diese Schaltung miteinander verbunden und sind empfindlich gegenüber Störungen.

Zur Kontrolle können Sie den Ausgang an ein Oszilloskop anschließen oder, noch einfacher, eine LED mit Vorwiderstand an Pin 3 (Ausgang) anschließen. Schon sehen Sie, ob die Schaltung arbeitet.

NE555-Kalkulator zur Bestimmung der Frequenz

NE555 Astabile Kippstufe — Rechner







Hinweis: Bei der Option «mit Diode» wird die Vorwärtsspannung der Diode vernachlässigt (gängige Annahme für einfache Berechnungen).

Hier ist ein Video mit der Schaltung, ausgebaut auf einer Steckplatine.

Fehlerquellen und Tipps

Falls der NE555 nicht schwingt, liegt das meist an einem falschen Anschluss der Bauteile. Besonders häufig sind:

  • falsch gepolte Elektrolytkondensatoren,
  • vertauschte Widerstände R1 und R2,
  • ein fehlender Masseanschluss am Discharge-Pin oder
  • kein oder fehlerhafter Kondensator an Pin 5.

Auch der Einsatz von zu großen Widerständen (im Megaohm-Bereich) kann dazu führen, dass der Kondensator sich nicht mehr korrekt auflädt oder entlädt.

Wenn Sie eine stabile Schaltung wünschen, lohnt sich die Verwendung des CMOS-Typs LMC555 oder TLC555. Diese Varianten benötigen weniger Strom und eignen sich besser für batteriebetriebene Geräte.

Ein vielseitiger Klassiker

Der NE555 als astabile Kippstufe ist ein Klassiker unter den Elektronik-Schaltungen und ein hervorragender Einstieg in die Welt der Zeitgeber und Rechtecksignale.

Er lässt sich mit wenigen Bauteilen realisieren, ist sehr robust, arbeitet zuverlässig und liefert stabile Ergebnisse über einen weiten Spannungsbereich. Er lässt sich hervorragend als Blinkschaltung, Taktgeber oder Signalquelle verwenden, wie auch die oben verlinkten Beispiele zeigen. Der kleine Timer ist ein echter Alleskönner und Allrounder.

Mit etwas Übung lässt sich das Verhalten der Schaltung leicht anpassen, indem Sie Widerstände, Kondensatoren oder die Diode variieren. Und selbst wenn der Abgleich einmal nicht perfekt ist. Die NE555 astabile Kippstufe arbeitet meist zuverlässig und zeigt eindrucksvoll, wie analoges Schalten mit einfachen Mitteln funktioniert.

Auf dieser Webseite finden Sie sehr viele NE555-Schaltungen und Anwendungszwecke, ob NE555-LED-Blinker, NE555-Signalgeber zur Klangerzeugung oder NE555-Zeitschalter. Sogar für einfache Prüfgeräte wie den Z-Dioden-Tester lässt er sich verwenden.

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